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Problemplatz Plärrer - ein Straßenportrait

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Problemplatz Plärrer - ein Straßenportrait

Auf diesem Platz ist immer was los, der Verkehrsfluss versiegt nie. Trotzdem herrscht Stillstand: Das Sorgenkind der Stadt trägt seit Jahren trostloses grau, ist laut und wirkt vernachlässigt. Dennoch hat es seinen festen Platz im Stadtbild von Nürnberg.


Folgen Sie uns auf unserem Weg über den Platz, in seine Vergangenheit und seine Zukunft. 
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Der Plärrer heute

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Kemal Yarici betreibt seit zwölf Jahren einen Döner-Imbiss am Plärrer. Früher war er über den Standort froh. Heute riecht es in der Umgebung seiner Imbiss-Bude bitter nach Urin. „Die Lage am Plärrer hat sich total verändert. Vor zwölf Jahren hatten wir 70 bis 80 Prozent ansässiges Publikum. Heute haben wir ähnlich viele Osteuropäer hier. Deshalb ist es schwer, noch Umsatz zu machen", sagt Yarici. Seit der EU-Osterweiterung habe sich das Problem verstärkt: „Was mich stört, sind die vielen Bettler. Sie belästigen meine Kundschaft und schrecken sie davon ab, hier einzukaufen." An den Verkehrslärm hat er sich längst gewöhnt - an das Publikum nicht. „Die Autos höre ich schon gar nicht mehr. Wenn die Betrunkenen sich streiten und anschreien, ist das viel schlimmer", sagt der 50-Jährige. Im Jahr 2013 hat er zusammen mit anderen Ladenbesitzern eine Unerschriftenliste an die Stadt übergeben, um auf die Situation hinzuweisen. Geändert hat sich nichts. „Wir Gewerbetreibende sind hier auf uns alleine gestellt. Mir sind schon ein paar Mal die Scheiben eingeschlagen worden", berichtet Yarici. Selbst mit Fäkalien wurde seine kleine Imbissbude schon verschmutzt. Für die Mittellosen hat er deshalb kein Verständnis: „Wir Kleinunternehmer sind das Rückgrat der Wirtschaft. Warum wird uns hier das Leben schwer gemacht?"
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Erst im April ist Franziska Birk in eine WG am Plärrer gezogen. „Ich bin wirklich froh, hier zu wohnen“, sagt sie. Vor allem die Lebensmittelgeschäfte findet die 22-Jährige klasse. „Man hat hier ständig frisches Obst und Gemüse“, schwärmt sie. Das Einzige, was die Studentin stört, ist die Situation für Fahrradfahrer: „Ich fahre eigentlich überall mit dem Rad hin aber am Plärrer gibt es keinen durchgehenden Radweg. An manchen stellen fehlt er ganz und ich muss Umwege fahren. Außerdem stehe ich ständig an irgendwelchen Ampeln. Das nervt.“
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Uwe Janza ist seit 2011 Vorsitzender des Bürgervereins Gostenhof, Kleinweidenmühle, Muggenhof und Doos e.V. Ein Anliegen, was die Anwohner des Plärrers immer wieder vorbringen, sei die Situation der anliegenden Geschäfte. „Wo jetzt Spielotheken sind, waren früher Geschäfte, die für ein breites Publikum attraktiv hätten sein können“, erklärt Janza. „Aber sie hatten keinen Erfolg. Jetzt sieht man Ladenlokale mit verklebten Fenstern und zwielichtigen Gestalten darin oder davor. Das ist unansehnlich.“ Ihm selbst ist der Verkehrslärm auf dem Platz unangenehm: „Mein erster Gedanke ist: Schnell wieder runter. Hier fühlt es sich an wie auf dem Mittelstreifen einer Autobahn, nur viel breiter.“
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Mit der Lage für seinen Supermarkt hat Tayfun Tuna einen Volltreffer gelandet: Er liegt auf dem Weg in die Fußgängerzone. „Die Leute sehen auf dem Weg in die Stadt meine Waren und Preise und kaufen dann auf dem Rückweg bei mir ein“, erklärt der 31-Jährige. So käme er täglich auf bis zu 1100 Kunden. Als Lebensmittelmarktbesitzer findet er das Rattenproblem am Plärrer besonders schlimm. „Davon gibt’s hier einfach zu viel“, beklagt er. Wenn er nach Ladenschluss die 70 Meter Auslage nach innen räumt, muss er sich beeilen: „Abends laufen die überall hier rum.“
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Straßenbahnen und Busse spucken alle paar Minuten Menschen auf den Plärrer, den Oskar Leeb regelmäßig ansteuert. Während die einen gleich von den Eingängen der U-Bahnstation verschluckt werden, hasten andere quer über den Platz, um ihren Anschluss zu erwischen. Die Fußgänger erfordern von den Busfahrern volle Aufmerksamkeit. „Gerade wenn die Leute von der Straßenbahn herkommen oder zu ihr hinwollen, ist es schon sehr anspruchsvoll“, kommentiert Oskar Leeb das hektische Treiben. Der 55-Jährige ist seit 30 Jahren Busfahrer bei der VAG. „Man muss ja generell aufpassen im Straßenverkehr“, sagt der 55-Jährige, „aber am Plärrer schon besonders. Vor allem Leute, die auf ihr Smartphone gucken, sollten aufmerksamer sein.“
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Der Plärrer damals

Neben Menschen hat der Plärrer auch etliche Baumaschinen, Bagger, Walzen und Kräne kommen und gehen sehen. Wie oft er in seiner Vergangenheit umgebaut wurde, lässt sich nicht sicher sagen. Die sichbarsten Veränderungen zeigt der direkte Vergleich mit Aufnahmen aus dem Bildarchiv der Nürnberger Nachrichten. Ob früher tatsächlich alles besser war?
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Bäume

Das Archivbild stammt aus den frühen Sechzigern. Immerhin haben es in der Zwischenzeit ein paar Bäume mehr auf den Platz geschafft. Anfang der Achziger wurden sogar einige mit dem Zug aus Hamburg nach Nürnberg transportiert.

Der Plärrer - damals und heute
Ab den Dreißigern des letzten Jahrhunderts konnten sich die Pendler ihre Wartezeit im Plärrer-Automaten vertreiben. Die futuristisch-moderne Wartehalle von Architekt Walter Brugmann verdankte ihren Namen dem Imbiss-Verkaufsautomat im Inneren. Das Gebäude überstand den zweiten Weltkrieg. Erst 1977 wurde es abgerissen und durch zwei U-Bahnausgänge in der typischen Beton-Architektur der Siebziger ersetzt.

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Bauweise

Durch die Stahlbetonskelettbauweise wuchs das Hochhaus um ein Stockwerk pro Woche und war nach nur eineinhalb Jahren fertiggestellt.

Der Plärrer - damals und heute
Nach der Fertigstellung im Jahr 1953 war das Plärrer-Hochhaus mit seinen 56 Metern nicht nur das höchste Gebäude Bayerns, sondern auch der erste Wolkenkratzer Nürnbergs. Bis heute ragt Wilhem Schlegtendals Bau mit der gelben Fassade in den Himmel. Das Verwaltungsgebäude der Städtischen Werke gilt als ein Paradebeispiel für den Baustil der fünfziger Jahre und steht deshalb unter Denkmalschutz.
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Erster Bahnhof Deutschlands

Am 7. Dezember 1835 fuhr die erste deutsche Eisenbahn vom Plärrer nach Fürth. Mit dieser Jungfernfahrt begann vor 180 Jahren ein neues Kapitel in der Verkehrsgeschichte Deutschlands. Seit dem Abriss des Ludwigsbahnhofs 1952 erinnert hier nichts mehr an dieses historische Ereignis.

Der Plärrer - damals und heute
Bevor die U-Bahn Fürth mit Nürnberg verbunden hat, übernahm die Straßenbahn diese Aufgabe. Zeitweise fuhren bis zu 13 Linien den Plärrer an. Die große Wendeschleife der Straßenbahn beherrscht auch heute noch das Bild des Teerplatzes.
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Der Plärrer - damals und heute
Mit dem U-Bahn-Bau ab 1975 bekam der Plärrer sein heutiges Aussehen. Um den Platz schöner wirken zu lassen, wurde innerhalb der Straßenbahnwendeschleife ein Springbrunnen angelegt. Er sollte den Platz optisch aufwerten und gegen den Verkehrslärm anplätschern. Heute ist die Plärrer-Fontäne stillgelegt, da das Auffangbecken in der Decke der U-Bahnstation undicht ist.
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Bedeutung "Plärrer"

Der Name Plärrer leitet sich nicht von "plärren" ab, sondern hat seinen Ursprung im Wort "Plerre". Der Begriff stammt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet "freier Platz".

Der Plärrer - damals und heute
An der Ecke Fürther Straße / Rothenburger Straße befindet sich das Planetarium mit seiner runden Kuppel. Gegenüber wurde in den neunziger Jahren der ökologische Gewerbehof Prisma gebaut, dessen überdachter Innenhof mit Garten und Wasserläufen einen krassen Kontrast zum Verkehrslärm darstellt und zum Entspannen einlädt.
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Plärrer - damals und heute
Zwischen den beiden Bildern liegen rund 25 Jahre. Nicht nur die Frisuren haben sich verändert, sondern auch das Angebot: Die Restaurants und Gemüseläden sind Bekleidungsgeschäften gewichen. Spielhallen sind in die Geschäftsräume eingezogen und ersetzen die einst offenen Schaufenster durch blickdichte Folie.
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Der Plärrer von morgen

Auch untenrum wird der Plärrer alt: In den nächsten zehn Jahren muss die Decke der U-Bahnstation im Untergrund planmäßig saniert werden. „Die Sanierungsarbeiten im Untergrund könnten den Anstoß geben, auch an der Oberfläche tätig zu werden“, sagt Siegfried Dengler, Leiter des Stadtplanungsamtes Nürnberg. Konkrete Pläne gebe es allerdings nicht. Dennoch haben zwei SPD-Stadräte bereits vor Monaten zu einem Ideenwettbewerb aufgerufen und auch die Planungsämter der Stadt Nürnberg haben erste Überlegungen in der Schublade. „Der Plärrer ist ein Projekt, das auf jeden Fall kommen wird", bestätigt Ingo Schlick vom Baureferat. Doch was wünschen sich die Nürnberger für den Plärrer? Und was ist möglich?
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Jens Ott, Vorstandsmitglied beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Kreisverband Nürnberg und Umgebung e.V.

„Aus Radfahrersicht stört, dass der Plärrer für Fußgänger und Radfahrer an manchen Stellen sehr wenig Platz einräumt und man sich so sehr oft in die Quere kommt. Teilweise gibt es auch gar keine Radwege, obwohl die Straße eigentlich breit genug wäre, um einen darauf zu markieren. Ich denke, dass nicht so viel Platz für den Autoverkehr notwendig wäre. Vielleicht könnte man die Fahrbahnen anders aufteilen, um Fußgängern und Radfahrern mehr Platz zu geben.“


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Herr Ganserer, was wünschen Sie sich als Landtagsabgeordneter der Grünen vom Plärrer?

Ich wünsche mir für den Plärrer mehr Aufenthaltsqualität. Ein Großteil der Fläche steht für die Autos zur Verfügung, die Radfahrer und Fußgänger sind an den Rand gedrängt und in der Mitte hat man eine Pflasterwüste.

Welche Gestaltungsmaßnahmen können Sie sich konkret vorstellen?
 
Einmal braucht es mehr Barrierefreiheit. Nicht nur für Rollstuhlfahrer, sondern auch für Eltern mit Kinderwagen. Für Sie gibt es nur einen Zugang zu U-Bahn, nämlich den Aufzug in der Mitte des Platzes. Ich könnte mir weitere Aufzüge gut vorstellen. Dann bräuchte es eine Überdachung auf dem Platz, wo die Leute im Trockenen und im Schatten auf die Straßenbahn warten können. Es bräuchte mehr Grün und mehr Sitzmöglichkeiten und in der Mitte vom Platz auch die Möglichkeit, sich etwas zum Essen und Trinken zu kaufen. All dies würde die Aufenthaltsqualität erhöhen.
 
Wie könnte man die Bürger bei einem solchen Projekt beteiligen?
 
Das ginge am besten mit einem offenen Prozess, denke ich. Da hat die Stadt Nürnberg durchaus auch schon langjährige und gute Erfahrungen. Man könnte ein Planungsbüro eröffnen, wo man erste Ideen vorstellt, die Bürger befragt und diese ihre Vorschläge einbringen können.

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Herr Janza, wie könnte man den Plärrer aus Sicht des Bürgervereins Gostenhof angenehmer gestalten?

Das Problem ist, das Nürnberg wenig Platz hat. Also ist die Frage: Wohin mit dem Verkehr? So lange der weiter fließt und alle entscheiden, dass es toll ist, alleine mit einem motorisierten Fahrzeug durch die Gegend zu fahren, wird sich an der Verkehrssituation wenig ändern. Bisher sehe ich bei der Stadtverwaltung noch nicht den Willen, in eine andere Richtung zu gehen.

Wird sich daran in Zukunft etwas ändern?

Wenn Sie mich fragen, ob ich mir das wünsche, sage ich ja. Wenn die Frage ist, ob ich eine Veränderung erwarte, sage ich nein. Im Augenblick werden in Nürnberg die politischen Entscheidungen von zwei großen Parteien getroffen, die, gemessen an ihren Taten, lieber für den motorisierten Straßenverkehr bauen.

Die Frage ist: Möchte man es denen recht machen, die in den Randbezirken wohnen und gerne mit dem Auto quer durch das ganze Stadtgebiet fahren wollen, oder denen, die sich jetzt schon auch zu Fuß auf dem Platz aufhalten? Das ist eine verkehrspolitische Entscheidung und wie ich glaube im Rahmen der jetzigen Stadtratskonstellation ebenso eine ideologische Entscheidung.

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Seit 2000 hat Susanne Wiedemann ihren Arbeitsplatz am Plärrer 25. Zusammen mit zwei Kollegen teilt sich die HNO-Ärztin eine Gemeinschaftspraxis im dritten Stock.

Es sei das beste Haus, sagt Wiedemann. Denn durch den Verkehrsknotenpunkt vor der Haustür ist die Praxis sehr gut zu erreichen. „Das einzige, was fehlt, sind Parkplätze“, findet die Ärztin. „Und vielleicht könnte man vor dem Haus einen speziell für Krankenwagen machen." Die Fenster in der Praxis bleiben immer verschlossen. Doch nicht etwa wegen des Verkehrslärms, wie man bei HNO-Ärzten als Grund vermuten möchte, sondern wegen des Feinstaubs. „Wenn ich eine Veränderung hätte haben wollen, dann in Form von schadstoffvermindernden Grünpflanzen. Begrünung bis zum Umfallen. Das wärs“, sagt Wiedemann lächelnd und schaut aus dem Fenster. Ihr Blick fällt auf die Häuserfront gegenüber. Die könnte man vielleicht auch netter gestalten, schlägt sie vor. „Wenn man eine Art Welle um den Häuserblock malen könnte, würde die Fassade ein bisschen einheitlicher aussehen. Das fände ich schön.“
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Impressum

Eine Webreportage von Franziska Knobloch und Michael Sivochas

mit Musik von Desto und Nasher (Expanded Art Records)

im Rahmen des Faches "Projekt Crossmedia" im Studiengang
"Ressortjournalismus" der Hochschule Ansbach

für "Nordbayern.de" - das Onlineportal der "Nürnberger
Nachrichten" und "Nürnberger Zeitung"
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