Sport kennt keine Behinderung
Sport kennt keine Behinderung
Fitnesstraining
Stemmen, Laufen, Schwitzen
Der 23-Jährige geht regelmäßig ins Fitnessstudio. Seine Begleiterin Andrea Thomae unterstützt ihn an den Geräten.
Torball
Blindes Ballspiel
Sehbehinderte. Wichtig für die Spieler:
Reflexe, Gehör und Orientierung. Die
Mannschaft des Behinderten- und
Versehrtensportvereins trainiert
in Nürnberg Langwasser.
Ab aufs Feld
Bogenschießen
Gezielte Inklusion
Nürnberg Bogenschießen. Im Kurs von Peter
März fühlt er sich wohl. Trütsch ist geistig
behindert. Er erzählt im Video, warum er zum
Bogenschießen geht.
Vorstellung Lebenshilfe
„Sport macht allen Spaß."
Im Interview sprechen die Sozialpädagoginnen Solveig Meier und Kristina Höhn über ihre Arbeit.
Was war der Anstoß für das Projekt Freizeitnetzwerk
Sport?
Solveig Meier: Bisher gab es vor allem in den Sportvereinen kaum Angebote für behinderte Menschen. Es kamen aber vermehrt Anfragen von Menschen mit Behinderung und ihren Familien, die Sport machen wollten. Daraufhin hat der Landesverband der Lebenshilfe den Projektantrag gestellt.
Ist es schwierig, Vereine für eine Kooperation zu finden?
Kristina Höhn: Manche Vereine sehen zunächst Hürden und haben deshalb Bedenken. Aber grundsätzlich stoßen wir auf positives Interesse und eine große Offenheit. Die Begeisterung kommt oft mit der ersten Begegnung.
Solveig Meier: Die ist sowohl für die behinderten Menschen,
als auch für die Sportler in den Vereinen wichtig. Manchmal braucht es kaum Unterstützung und manchmal stoßen wir
an Grenzen. Da merken wir: In dem Rahmen ist Inklusion
nicht möglich. Wir haben zum Beispiel einen Autisten in
einen Kletterkurs vermittelt. Die vielen Menschen dort waren allerdings eine Reizüberflutung für ihn. Wir haben dann
einen Trainer gefunden, der extra die Halle aufsperrt und mit ihm allein trainiert. Das Ziel ist aber weiterhin, dass er in Zukunft ganz normal an einem Kletterkurs teilnehmen kann.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Solveig Meier: Unsere Aufgaben sind vielfältig. In Beratungsgesprächen versuchen wir herauszufinden, welche Sportarten sich die Behinderten wünschen. Dabei spielt auch das Alter und die Vorerfahrung eine Rolle. Wir halten
außerdem den Kontakt zu den Sportvereinen. So haben wir in einigen Fällen schon einen Kooperationspartner, auf den wir zugehen können. Wenn das nicht der Fall ist, suchen wir eben nach neuen Vereinen.
Kristina Höhn: Wichtig ist auch die Unterstützung und die Begleitung der Vereine. Unsere Aufgabe ist nach der Vermittlung nicht getan. Wir bieten den Trainern und
Übungsleitern die Möglichkeit zur Fortbildung an.
Außerdem arbeiten wir mit anderen Trägern der Behindertenhilfe zusammen und versuchen, das Projekt
durch Öffentlichkeitsarbeit bekannter zu machen.
Was ist das Schönste an Ihrer Arbeit?
Solveig Meier: Sport ist etwas, das allen Spaß macht – es ist
ein gemeinsamer Nenner. Bis der passende Sportverein gefunden ist, müssen wir manchmal geduldig sein. Aber die Arbeit lohnt sich. Menschen mit Behinderung geben viel zurück. Die Lebensfreude und Offenheit ist ansteckend.
Wie sehen Sie die Entwicklung im Behindertensport?
Kristina Höhn: In den letzten Jahren hat sich viel getan. Auch auf Seiten der UN-Behindertenrechtskonvention ist einiges passiert. Zum Beispiel haben sie festgeschrieben, dass Menschen mit Behinderung ein Recht haben, Sport zu machen. Wir sind auf einem guten Weg.
Reiten
Auf dem Ponyhof
begleitet behinderte Menschen zu ihrer ersten
Sportstunde. Auf einem Hof in Ziegelstein
nimmt sie Anita Ringer beim Reiten an die Hand.
Klettern
Höhenmut
Mit Unterstützung der Lebenshilfe Nürnberg
hat sie es geschafft: Heute übt die 23-Jährige
regelmäßig an der Wand. Eine Reportage aus
der Kletterhalle.
Hoch hinaus
Julia ist geistig behindert. Dass sie heute regelmäßig klettern gehen kann, hat sie sich selbst zu verdanken. Die 23-Jährige hatte den Wunsch, mit anderen behinderten Menschen zu klettern. „Meine ehemalige Betreuerin meinte zu mir, manche Dinge muss man selbst in die Hand nehmen“, sagt die Verwaltungsfachangestellte und lacht. „Also habe ich das getan.“ Sie wandte sich an das Freizeitnetzwerk Sport der Lebenshilfe Nürnberg und stellte gemeinsam mit ihnen einen Kletterkurs im Sportzentrum Nürnberg auf die Beine. Damals war Dominik ihr Trainer.
Auch heute steht der 20-Jährige mit Klettergurt und Sicherungsgerät neben ihr vor der Kletterwand. Als der erste Kurs auslief, wandte sich Dominik an die Lebenshilfe. Er will Julia und ihre Freundin Jenny ehrenamtlich unterstützen, bis ein neuer Kurs zustande kommt. „Klettern können die beiden. Ich bin zum Sichern da und achte darauf, dass nichts passiert“, sagt der lnformatikstudent. Anfangs seien die Mädchen etwas ängstlich gewesen. Davon ist heute nichts mehr zu sehen: Selbstsicher befestigt Julia ihren Karabiner an den Seilen und macht mit Trainer Dominik den sogenannten „Partner-Check“. Gemeinsam kontrollieren sie die Sicherungen. Es kann losgehen: Julia fasst mit den Händen nach zwei roten Griffen über ihrem Kopf. Mit ihrem Fuß tastet sie nach dem ersten Tritt. „Mir geht es im Training mit den beiden hauptsächlich um den Spaßfaktor“, betont Dominik. „Die Klettertechnik stellen wir hinten an.“ Grundsätzlich habe er den Kurs mit den behinderten Mädchen genau so durchgeführt, wie mit anderen Teilnehmern.
Als Julia an der obersten Kante der zwölf Meter hohen Kletterwand angekommen ist, gibt sie Dominik ein kurzes Zeichen und er schließt die Sicherung. „Ab", ruft er Julia zu und sie beginnt sich abzuseilen. Kaum hat die junge Frau wieder sicheren Boden unter den Füßen, möchte sie direkt zum nächsten Wandabschnitt. Vorher ist allerdings Jenny an der Reihe. Sie hat gemeinsam mit Julia den Kletterkurs gemacht. „Seit ich hier bin habe ich vieles gelernt“, sagt das Mädchen mit Down-Syndrom. Vorsichtig klettert sie die Wand mit den Griffen nach oben. Julia sichert. Nach dem Abschnitt ist Jenny etwas außer Atem, aber glücklich. Sie klopf Julia auf die Schulter und sagt: „Danke.“
Fußball
Gut kombiniert
Zu Besuch bei Trainer Roland Thumser und seinem Team.
Interview DOSB
Sport inklusive
„Sport kann ein Motor für Inklusion sein.“
Welche Entwicklung beobachten Sie in der Umsetzung der Inklusion im Sport?
Ich sehe eine große Bereitschaft zur Öffnung und eine stärker werdende Willkommenskultur im inklusiven Bereich. 2013 haben wir im DOSB einstimmig mit allen Verbänden eine Resolution verabschiedet, wonach wir die Inklusion weiter voranbringen wollen. Wenn ein behinderter Mensch zu einem Verein geht, kann es natürlich sein, dass das nicht auf Anhieb klappt - vielleicht weil die richtigen Leute fehlen. Aber die Verbände bemühen sich spürbar, um Sport für alle zugänglich zu machen.
Spielt der Sport für die Inklusion von Menschen mit Behinderung eine Rolle?
Inklusion bedeutet, dass alle mitmachen können und die Bedingungen dafür so gut wie möglich sind. Sport ist durch das Spielerische und die Freiwilligkeit sehr gut dafür geeignet. Als Sozialarbeiterin habe ich lange Zeit selbst mit behinderten Menschen gearbeitet. Voraussetzung dafür ist die Begegnung und das gemeinsame Tun. Inklusion kann bereits stattfinden, wenn Blinde auf einem Golfplatz mitspielen können oder an einer Tandem-Radtour teilnehmen. Der Sport kann ein Motor für Inklusion sein.
Olympische und Paralympische Spiele werden separat ausgetragen. Führt das nicht zur Ausgrenzung behinderter Sportler?
Das ist zunächst ein logistisches Problem. Olympia hat eine derart große Zahl an Sportarten und Wettkämpfen, dass eine Zusammenlegung den Rahmen sprengen würde. Hinzu kommt die Frage, ob Sportler und Sportlerinnen mit Behinderung dann genügend Aufmerksamkeit bekämen. In vielen Bereichen des Behindertensports sagen die Sportler selbst: „Wir wollen lieber unsere eigene Sache machen.“ Zumal Wertungsprobleme dazukämen, um die Leistungen von behinderten und nichtbehinderten Sportlern vergleichbar zu machen. Trotzdem versuchen wir möglichst viele Wettkämpfe auf nationaler Ebene zusammen stattfinden zu lassen. Die Wertungen müssen dennoch getrennt erfolgen. Sonst ist das nicht gerecht.
Ist ein gemeinsamer Wettkampf inklusive gemeinsamer Wertung unter bestimmten Bedingungen dennoch denkbar?
Das kommt auf die Sportart an. Bei den Sportschützen können mittlerweile Rollstuhlfahrer bei Deutschen Meisterschaften im Sitzen als ganz normale Teilnehmer dabei sein. Es gibt keine Unterscheidungen. In anderen Bereichen ist es schwieriger. Gerade der Fall Markus Rehm (Leichtathlet mit Prothese, Anm. d. Red.) wirft die Frage auf: Wer hat wodurch welche Vor- oder Nachteile? Das muss von den Sportwissenschaftlern und den Sportverbänden geklärt werden.
Wo sehen Sie weitere Grenzen von Inklusion im Sport?
Viele behinderte Menschen brauchen eine Hilfestellung oder besondere Materialien, um am Sport teilnehmen zu können – wie zum Beispiel einen Betreuer, Dolmetscher für Gebärdensprache oder einen Sportrollstuhl. Auch gibt es manchmal räumliche Barrieren. Die Krankenkassen oder öffentliche Stellen zahlen nur meist keine derartige Unterstützung. Wenn also finanzielle Probleme im Weg stehen, ist es schwer möglich, die gemeinsame Umsetzung voran zu bringen. Darüber hinaus müssen wir unsere Übungsleiter noch besser ausbilden. Dafür brauchen wir auch weiterhin Unterstützung von der Politik.
Sind die Trainer in deutschen Vereinen ausreichend auf inklusive Angebote vorbereitet?
Es gibt viele Aus- und Fortbildungsprogramme zum Thema Inklusion in den allgemeinen Sportverbänden wie auch in den Behindertensportverbänden. Dies wird zurzeit weiter ausgebaut. Insbesondere geht es darum, die Übungsleiter auf heterogene Übungsgruppen vorzubereiten. In den Sportvereinen gibt es viele engagierte Leute. Die Bereitschaft, behinderte Menschen ganz normal am Sport mitwirken zu lassen, steigt.
Turnen
Mädels, auf die Matte!
Mädchen selbst, welche Übungen sie machen möchten.
Eine Audioslideshow zeigt: Der Spaß am Sport steht im Vordergrund.
Selbstverteidigung
Schlagkräftig
bei seinem Trainer Bernd Kirschenheuter verschiedene Abwehrtechniken. Im Video zeigen wir Eindrücke aus
dem Kurs.
Schwimmen
Erfolg auf ganzer Linie
Julie Marek eine inklusive Schwimmgruppe. Die
Sportler üben Brustschwimmen, Kraulen und
Tauchen. Einige nehmen auch an Wettkämpfen teil.
Service
Wo finde ich die Vereine?Ansprechpartner im (inklusiven) Behindertensport:
Fürther Straße 212
90429 Nürnberg
Tel.: 0911/58 79 37 80
http://www.lhnbg.de/freizeit/freizeitnetzwerk_sport.php
Behinderten- und Versehrtensportverein Nürnberg
Wildenfelsweg 11
90411 Nürnberg
Tel.: 0911/52 99 77 0
http://www.bvsvn.org
Behinderten- und Vitalsportverein Fürth
Kreuzsteinweg 15
90765 Fürth
0911/79 09 84 3
http://www.bvs-fuerth.de/cms2/
Impressum
ImpressumEine Webreportage von Elisabeth Ries, Ronja Straub, Nicolas Bettinger und Felix Futschik
91522 Ansbach; elisabethjohanna.ries@web.de
Vielen Dank an die Lebenshilfe Nürnberg und an die Sportvereine in Nürnberg und Fürth für die tatkräftige Unterstützung. Außerdem möchten wir allen Sportlern und Sportlerinnen, Trainern und Trainerinnen und allen Beteiligten Danke sagen.
Musik: KreaKustik Studio
Bild DOSB: Ralf Kuckuck
Alle Rechte bei den Verfassern
Ein Projekt der Hochschule Ansbach, Studiengang Ressortjournalismus (Fach „Projekt Crossmedia“), und Nordbayern.de, das Online-Portal der Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung.